Notfall Wundversorgung

  • Bei aller fachkundiger Theoriegeschichten mit hochtrabenden Begriffen, die der Laie erst googeln muss, ein wenig aus der Praxis...

    Auch im Rettungsdienst braucht man wirklich selten das hochgelobte Tourniquet oder sieht besonders viele Schussverletzungen. Wir leben ja nun nicht gerade im Kriegsgebiet und wenn wir das ganze mal sehen ist das auch für trainierte Retter eine besondere Situation.

    Ja, glaubt es oder nicht aber meist ist auch Rettungsdienst völlig unspektakulär.

  • Was sind den die häufigsten Einsätze und wie geht ihr dabei vor?

    Tatsächlich ist es häufig nur wenig aufregendes (Betrunkene, Schnittwunden, Arm gebrochen, Sturz älterer Leute,...) und viele leider hilflose Menschen, die nicht mal Fieber alleine hin bekommen. Gerne auch hypernervöse Eltern die anrufen weil das Kind nun 2x Erbrochen/Durchfall hat und es völlig dramatisch ist. Leider aber nicht mal mit Tee oder ähnlichem versucht haben was zu lindern. Auch ein Herzinfarkt ist für uns arbeitstechnisch kein dramatisches Arbeitsfeld. Bei Reanimationen und ähnlichem haben wir standarisierte Algorhytmen die von Kreis zu Kreis leicht verschieden sind, je nach ärtzlichem Leiter.

    So große Sachen wie Schießereien, Bahnunfälle mit Überlebenden, Autobahnunfälle und ja, auch Geburten sind nun echt nicht etwas das man jede Woche sieht. Deswegen hab ich in 10 Jahren Rettung erst 2x ein Tourniquet eingesetzt und auch von anderen Kollegen kenne ich keinen der die Teile viel häufiger im Einsatz hatte. Und mit 2 tatsächlich begleiteten Geburten bin ich schon eher die Ausnahme. Gibt viele die sehen das nie.

    Jeder Einsatzbereich hat natürlich auch nochmal Eigenheiten. Ich war früher in einer größeren Stadt und seit einigen Jahren auf dem Land. Hier gibts naturlich auch mehr Unfälle mit Landwirtschaftlichen Maschinen. Da gehts immer rund wenn denn überhaupt noch was zu machen ist. Hatte ich zuletzt vor 4 Jahren.

    Also Rettungsdienst ist weiss Gott nicht so super spektakulär wie man sich das vorstellt.

  • Also ist man in 95% aller Notfälle mit einem guten erste Hilfe Kasten und einer Hausapotheke schon gut aufgestellt? Erfahrungen im Umgang damit vorausgesetzt.

    Ja, die meisten Sachen könnten Leute auch daheim hin bekommen. Oft traut sich aber keiner zB Fieber selbst zu behandeln und Wadenwickel kennt nun auch kaum noch wer. Ich denke hier kommt oft hinzu das man weiss per 112 kommt schon wer der mir die Verantwortung abnimmt.

    Klar bei großen Sachen nicht pfuschen sondern uns rufen aber vieles ist schlichtweg Unsinn. Alles googlen sie aber Hausmittel nicht.

    Zur guten Hausapotheke hilft auch mal Verantwortung für sich oder andere zu übernehmen und sich mit Hausmitteln zu beschäftigen.

    Ich denke solche Sachen wären im Notfall auch eine höhere Priorität und häufiger als massiven Blutverlust zu behandeln.

    Eine kleine aber heftig eiternde Wunde (Z.B. Fahrradsturz mit Wunde, Dreck nicht entfernt weil man nicht wusste wie und so schlimm ist es ja nicht) hat schneller eine Blutvergiftung zur Folge als man denkt. Hier im Fall oben 4 Stunden bis es sich massiv verschlechtert hatte.

    Im Ernstfall gehe ich davon aus das viele schon an kleinen Sachen große Probleme entwickeln werden. Lungenentzündung, offene Wunden durch Arbeiten, Durchfall wegen schlechtem Wasser etc....

  • Also ist man in 95% aller Notfälle mit einem guten erste Hilfe Kasten und einer Hausapotheke schon gut aufgestellt? Erfahrungen im Umgang damit vorausgesetzt.

    Ja. Ich bin einer von der Sorte "Ach, zum Arzt muss man nur wegen dem gelben Schein". Ich habe mehrere Operationen Zuhause durchgeführt mit einem Erste Hilfe Kasten (So ein Autokasten) und ein paar Extras aus der Haushaltsapotheke. Für allgemeine Erkrankungen reicht das vollkommen aus.


    Erfolgreiche Selbst-Operationen mit hausüblichen Mitteln:

    - Warze aus Hand spurenfrei entfernt (Messer, Feuerzeug, Desinfektion und Verband/Tupfer - Ja, es ist wie es klingt, minimalistisch und Rambo)
    - Gerstenkorn am Auge spurenfrei entfernt (Messer, Feuerzeug, Desinfektion und Verband - Ja, auch das war 'ne Rambo Aktion)
    - Metallsplitter aus Auge entfernt (Pinzette, fand ich sinniger als drin zu lassen, war leichtsinnig, aber erfolgreich)
    - Hautlappen (Entstehendes Muttermal? So kleine Läppchen...) aus Nacken entfernt (Messer, Feuerzeug, Desinfektion, Spiegel und Verband)
    - Eingewachsenen Zehnagel korrigiert (Messer, Zange, Desinfektion, Tupfer)

    Schmerzmittel sind optional, nur für Puschies :) (Und einige sind blutverdünnend, gerne vermeiden)


    Ein Notfallkasten aus'm Auto hilft nicht viel. Da sind nur verbände / Textilien und eine grobe Schere für jene. Du brauchst definitiv eine feine Schere, Skalpellmesser (im besten Fall, hätte ich lieber als das normale Messer genutzt) und Medikamente sowieso. Was ich einst gemacht hatte, muss ich mal wieder tun, ich bin zur Apotheke gegangen und habe einfach angesagt "Bitte eine vollständige Hausapotheke". Einiges habe ich verneint, aber das meiste mitgenommen. Muskelgel hilft sehr gut, insebsondere bei Sport oder Überanstrengung, verschiedenste Erkältungs- und Verdauungmittel sind stets ein Wunder (Denn wenn nicht vorhanden ein Horror), Klostenfrauen Melissengeist für Verdauungsprobleme ist ein heiligen Mittel (5 Minuten, Bauchweh weg), Codeinhaltige Erkältungssirups sind super (5 Minuten > Einschlafen > Erholt sein > Fit für den nächsten Tag), Schmerztabletten gehören definitiv dazu und worauf ich schwören kann ich was die Russen seit jeher nutzen: Tigerbalsam, das vietnamesische mit dem Stern, ein Teufelzeug, bloß nicht auf die Nase schmieren oder Nähe der Augen, aber wirkt Wunder im Bereich der Bronchen. Apothekenübliche "Tigerbalsams" sind ein Witz, wenn, dann nur dieses, aber Vorsicht, das brennt sich durch den Körper um jede einzelne VIre persönlich zu bekämpfen :D

    Der Unterschied zwischen Panik und klarem Verstand ist die Vorbereitung.

  • Fuer den Notfall habe ich mir ein Militaeroperationnotfallset besorgt. Zusaetzlich habe im Notfallrucksack eine Erste Hilfe Tasche zum umhaegen, sowie extra Dreieckstuecher und zusaetzliche Planen zum Abdecken bei Hitze und Kaelte. Mit Dreieckstuechersn kannst du gute Notverbaende machen, Armschlingen, Kopfverbaende und auch Trageschlaufen bauen um Person in Not mit 2 Mann zu transportieren.

    Zum Schienen von Gliedmassen kannst du Aeste aus der Umgebung nutzen and diese mit den Dreieckstuechern fixieren. Fuer zuhause raeume ich alte Verbandskaesten aus and habe so schon einem guten Bestand an zusaetzlichem Verbandsmaterial. Pflaster leider nicht so haltbar. Fuer ein grosseres Ereignis in deiner naeheren Umgebung reicht ein einzelner Verbandskasten eher nicht aus.

  • Fuer einen Luftroehrenschnitt reicht es, sonst keine Ahnung. Was nicht wozu ich im Notfall sonst so in der Lage bin.

    Wobei ich bevor ich das Besteck hatte auch schon Warze selbst entfernt habe, sowie Entzuendung unter Fingernadel selbstbehandelt habe. Das mit den eingewachsenen Fussnagel habe ich schon mehrfach hinter mir weil ich da oefter Probs mit habe. Bei Entzuendung schwoere ich auf Betaisadona, zieht das Zeug gut raus.

    Bin aber kein Arzt wenn du das meinst.

  • Fuer einen Luftroehrenschnitt reicht es, sonst keine Ahnung. Was nicht wozu ich im Notfall sonst so in der Lage bin.

    Wobei ich bevor ich das Besteck hatte auch schon Warze selbst entfernt habe, sowie Entzuendung unter Fingernadel selbstbehandelt habe. Das mit den eingewachsenen Fussnagel habe ich schon mehrfach hinter mir weil ich da oefter Probs mit habe. Bei Entzuendung schwoere ich auf Betaisadona, zieht das Zeug gut raus.

    Bin aber kein Arzt wenn du das meinst.

    Bitte lass das mit dem Luftröhrenschnitt. Jemand der das nicht professionell gelernt hat richtet dabei mehr Schaden an als er hilft.


    Dreieckstücher sind Anno dazumal, wird zwar immernoch in der Grundausbildung so ausgebildet, benutzt heute im Einsatz aber kein Mensch mehr.


    Ich empfehle dir dich zum Thema:

    -Tourniquet (unbedingt Sicherheitshinweise beachten)

    -Israeli Bandage

    -Güdel und Wendl Tubus

    Und gegebenenfalls "Sam Splint" und "Chest Seal"

    einzulesen.

  • Altes Thema, bekommt nun auch meinen Senf:


    Meine Meinung zu dem am Anfang geschilderten Szenario - nackt - ohne irgendwas - Wald - 20km bis SaveHouse - stark (arteriell?) blutende Wunde:

    Triage - kann das überleben (24h) gesichert werden? - nein.

    Lösung: zurücklassen. Oder alle verausgaben sich komplett und gehen gemeinsam drauf. Zugegeben, komisches Szenario.


    Bei der Disskusion um TQs muss man sagen das beide (auch wenn sie wahrscheinlich nicht mehr aktiv hier sind) missverstanden wurden.


    TQs, richtig angewendet, retten leben. Falsch angewendet erstmal auch. Meistens bleiben sie zu lange drauf und das Bein is im Eimer.


    Und als letztes: Notfall OP Besteck. Gibt’s zu hauf online zu kaufen. Sauberkeit fraglich. Ich bin ganz ehrlich, ich würde mir sowas nicht online kaufen. Keiner weiß wo das herkommt, was mit dem gemacht wurde. Und sterilisieren kann man das normalerweise zuhause auch nicht. Es reicht eine Nadel, Skalpell und eine Pinzette. Damit kann man schon die gröbsten Dinge richten.


    Wenn hier Bedarf herrscht erstelle ich gerne eine kleine Liste.


    Grüße vom Ben

  • Bin noch da aber etwas im Sprachkurs und mit lernen beschäftigt.


    Was wahrscheinlich immer ein Missverständnis ist das man für ein wunderbares TQ einen soliden Backround braucht. In Form von Wissen, Medikamenten und am Ende sollte sowas versorgt werden. Im Falle eines Falles werden wir mit welcher Sicherheit einer solch gravierenden Verletzung ganz zufällig qualitative Hilfe bekommen?

    TQ nutzt man eigentlich nur für Amputationen und massivsten Blutverlust. Das doktert keiner mal eben schnell zusammen der das nicht gelernt hat.

    Zumal die meisten echt nicht verstehen das es ohne Medis ca 15 Sekunden dauert bis derjenige das Ding selbst abmacht. Ich hab glaub ich nur 8 Sekunden am Oberschenkel geschafft im Selbstversuch.

    Marines haben das als Selbstversuch stundenlang hin bekommen aber die sind halt ne andere Kategorie. Daher weiss man zumindest aber das maximal 6 Std nach anlegen, das Ding ab muss.

  • In Form von Wissen, Medikamenten und am Ende sollte sowas versorgt werden. Im Falle eines Falles werden wir mit welcher Sicherheit einer solch gravierenden Verletzung ganz zufällig qualitative Hilfe bekommen?(1)

    TQ nutzt man eigentlich nur für Amputationen und massivsten Blutverlust. Das doktert keiner mal eben schnell zusammen der das nicht gelernt hat. (2)

    zu 1: Als Soldat lernt man sich selbst das TQ so vorzubereiten, dass man es sich selbst anlegen kann. in dem Fall ist also jeder selbst sein qualitativer Ersthelfer


    zu 2: Wenn Kein Arzt in Reichweite ist, ist das TQ nur eine kurzfristige Zwischenlösung welches man nur dazu verwenden sollte die Kritische Blutung zu stoppen und dann so schnell es geht einen vernünftigen Druckverband anlegen (zb mit Israeli Bandage) und dann das TQ wieder langsam lösen. Schauen ob Druckverband dicht hält, falls nein, wieder TQ abdrehen und nachbessern, falls Druckverband dicht, TQ wieder ab damit man keine Nekrose/Sepsis riskiert (mir wurde beigebracht alles unter einer Stunde kann man das TQ noch selbst abnehmen, alles nach einer Stunde sollte nur noch ein Arzt machen)

    Ich sehe dabei jetzt wirklich kein Hexenwerk (Jeder Soldat lernt das schon in der Grundausbildung)


    Womit es natürlich nicht getan ist: sich ein TQ zu kaufen, nicht damit auseinander zusetzen, es in den Schrank zu legen und im Notfall alles Falsch machen weil man keine Ahnung hat was man da eigentlich tut.


    PS: Marines kochen auch nur mit Wasser ;)