Mittendrin

  • Mein letzter Eintrag war am Mittwoch. Bis dahin hatte es nur heftig geregnet. Die Nacht und die nächsten Tage entwickelten sich zum Ausnahmezustand.

    Am späten Abend wurde der Regen so heftig, dass über die Abflüsse Wasser in unseren Keller eindrang. Den Göttern sei Dank, hatte ich mir schon vorher Verschlüsse für die Dusche und für einen Bodenabfluss zurecht gelegt. Diese waren zwar nicht 100% ig dicht, verhinderten aber das Schlimmste. Die Regenmassen waren allerdings so stark, dass sich das Wasser an einer Kellertreppe ca 1m hoch staute und durch die Türe in den Heizungskeller eindrang. Somit stieg auch der Pegel im gesamten Untergeschoss. Mit 2 Eimern rannte ich dann ca. 1 Std immer wieder die Treppe runter und dann über die Wiese, um das Wasser wieder los zu werden. Tatsächlich habe ich es geschafft, den Wasserpegel so im Keller auf ca. 2 cm zu begrenzen.

    Gleichzeitig kam die Nachricht von meinem Sohn, der ein paar Orte weiter in Zülpich wohnt, dass sein Haus ebenfalls unter Wasser stand. Anfangs war es auch nicht so schlimm, aber in der Nacht stieg der Pegel im Erdgeschoss auf 1 Meter an. Sie konnten das Haus nur noch verlassen. Die Ursache war ein Bachlauf, der schon seit etlichen Jahren trocken war. Er hat alles verloren.

    Am nächsten Tag hörten wir, was noch alles geschehen war. Straßen unter Wasser, schwimmende LKWs auf der Autobahn, ein Nachbardorf im Schlamm versunken. Ausnahmezustand. Die Schicksale sind nicht zu beschreiben. Viele Menschen sind gestorben, unsere Straßen sind zerstört, die Geschäfte größtenteils geschlossen, Panzer fuhren durch die Orte, weil sonst nichts mehr durchkam, das Trinkwasser wegen eines Rückstaus im Klärwerk mit Fäkalbakterien belastet und die Supermärkte leer, weil Lieferungen ausbleiben. Stromausfälle über Tage führten zu Plünderungen in Euskirchen. Meine Tochter hat noch Strom und die Menschen kommen zu ihr, um Babynahrung und Essen zu erwärmen. Das Mobilfunknetz funktioniert nur eingeschränkt.

    Die Welt hat sich innerhalb von einer Stunde total verändert.

    Und das nur wegen Regen.

    Ich hatte unendlich viel Glück, auch, weil ich zumindest teilweise vorbereitet war. Auch Trinkwasser ist für uns kein Problem. Aber fast alle anderen wurden vollkommen überrascht. Viele wurden evakuiert und ich bezweifle, dass sie im Vorfeld schon Mal ihre wichtigsten Unterlagen für so einen Fall bereit gelegt hatten. Das Problem dabei ist nur, dass manche Häuser einfach vom Schlamm verschluckt wurden. Und niemand hätte in so einer flachen, von Feldern dominierten Gegend wie Erftstadt, Zülpich und Euskirchen damit gerechnet.

    Vorbereitet sein ist so unendlich wichtig! Und selbst, wenn es nur noch zum Verlassen der Wohnung wichtig ist!

  • Danke für Deinen ausführlichen Bericht!

    Ich hab die ganze Sache im Fernsehen beobachtet, und bin (in Nordbayern lebend) zum Glück selbst nicht betroffen.

    Wenn man persönlich davon betroffen ist, ist das natürlich nochmal was ganz anderes!

    Als ich die Bilder sah war auch mein erster Gedanke wie wichtig es ist, sich vorzubereiten.

    Natürlich kann man sich nicht gegen alles schützen; wenn Häuser komplett zerstört werden nützen auch die Vorräte nichts.

    Sollte man aber z.B von den Wassermassen eingeschlossen sein und sich in die oberen Geschosse retten können, ist man mit entsprechender Vorbereitung zumindest im Vorteil.

    Zumindest soweit ich das als nicht selbst Betroffener beurteilen kann.


    P.S. Ich "like" Deinen Beitrag bewusst nicht, weil die Hintergründe zu ernst sind als dass en "gefällt mir" angemessen wäre.

  • Es wird immer Dinge geben die zu groß sind um sich mit den persönlichen Mitteln darauf vorbereiten zu können. Schließlich sind Geld und auch Zeit immer nur begrenzt vorhanden.

    Selbst mit Rückschlagventilen, Sandsäcken und Stromerzeuger + Pumpe bewaffnet verlierst du wenn das ganze Haus unterspült und weggerissen wird.


    Ich habe die Berichterstattung in den Medien angeschaut und bin überzeugt auch meine Vorbereitungen hätten versagt, spätestens nach einem Tag oder zwei steht dann wahrscheinlich die Brühe genauso hoch wie bei allen anderen auch wenn man voll erwischt wird.


    In dem Fall hilft dann auch nur Flucht. Personenschäden vermeiden und für die Sachschäden auf die Versicherung hoffen.

    Gut zu hören dass es bei dir nicht so weit gekommen ist.


    Vielleicht ist es ein Glück im Unglück dass momentan Wahlkampf ist. Ich glaube dies wird Hilfe für alle Betroffenen enorm beschleunigen.

  • Ich habe das Szenario in Dresden vor 19 Jahren noch vor Augen....wir wohnten schon in Bayern , aber meine Eltern sind komplett abgesoffen...ca. 1.20 m hoch im Grundstück ...Keller bis unter die Decke..

    Meine Frau und ich sind nach Wasserrückgang zum Aufräumen angerückt. Als wir ankamen...in den Straßen 2 m hohe Berge , ja Wände über hunderte Meter Länge, mit Müll und Schlamm an den Strassenrändern. Es stank erbärmlich. Die Menschen sahen Alle gezeichnet von Schlaflosigkeit, Erschöpfung und Frust aus, wie im Krieg.

    Wir verteilten an die Nachbarschaft meiner Eltern Schaufeln, Gummistiefel, Arbeitshandschuhe, Müllsäcke, die wir vorher in Bayern gekauft hatten, den in Sachsen gab es nichts mehr...wir haben über eine Woche nur gerâumt, gesäubert, geschaufel......die Versicherungsmitarbeiter hatten sich Straßenweise aufgeteilt, und nahmen die Schäden auf, unabhängig zu welcher Versicherung ein Vertrag bestand. Das war eine super Sache, sonst hätten sie das nie bewältigen können.


    Allerdings sind von den versprochenen Schutzmaßnahmen für die Zukunft nur einige geschaffen worden, leider...


    Nehmt den Kopf hoch, schaut nach vorn, alles materielle ist nebensächlich. Hauptsache Euren Lieben geht es so weit gut.

    Alles Gute, Ihr schafft das !